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Brotkultur versus Behörden

hr.gragger_einstieg Zurück zum Ursprung – dieser Slogan trifft hier wirklich zu. Helmut Gragger war lange Zeit für einen internationalen Lebensmittelkonzern tätig und hatte irgendwann genug davon. Bewusst entschied er sich für ein zurück, zurück zur alten Brotbacktradition. Der Weg dahin war allerdings eine Herausforderung. Nicht nur, dass ihm von Seiten der Behörden viele Steine in den Weg gelegt wurden, auch die Anrainer störte der Brotgeruch in der Luft. Was zur Folge hatte, dass Helmut Gragger drei Jahre Vorlaufzeit und über 20 Gutachten benötigte um seine Holzofen-Bäckerei in einer Wiener Gasse zu eröffnen. Sein Glück war ein Hausherr, der von der Idee vollkommen überzeugt ist und daher auch „miettechnisch“ Rücksicht nahm.

Für Helmut Gragger gab es nur die eine Überlegung: „Was ist das beste Brot für mich und was benötige ich dazu?“ Klingt sehr simpel und ist es auch: Wasser, Mehl, Sauerteig und Salz, da braucht es weder Enzyme noch sonstige Backhilfsmittel, nur Zeit.
Was uns heute in den Regalen angeboten wird ist Brot, das nicht altert und auch noch nach mehrmaligem auftauen wie frisch gebacken schmeckt. Die Vision von Helmut Gragger war eine Holzofenbäckerei im Stile der französischen Boulangeries. Und tatsächlich hat man beim Betreten des Ladens das Gefühl, mitten in Paris zu stehen. Im Verkaufsraum steht auch der Holzofen und man kann während man wartet dem Bäcker dabei zusehen, wie er das fertig gebackene Brot aus dem Ofen holt.gragger_produktion
Wie wichtig ist Ihnen Tradition? Wertschätzung und Wissen: besteht da für Sie ein Zusammenhang?
“Unser tägliches Brot” heißt es so schön. Die Tradition, das Bewusstsein des Brotbackbackens, ist uns jedoch gänzlich abhanden gekommen, Wasser, Mehl, Sauerteig und Salz – das war einmal. Österreich hatte einmal eine äußerst vielfältige Brotkultur. Das Baguette ist zum Beispiel eine österreichische Erfindung und auch das Kipferl. Dank Marie Antoinette hielt die österreichische Brotkultur auch am französischen Hof Einzug, in dem sie österreichische Bäcker nach Paris holte.

„Um meine Vision umzusetzen habe ich mich klar für die Tradition und Reduktion entschieden. Zusätzlich habe ich eigens dafür einen Holzbackofen konstruiert und auch eine für unsere Bedürfnisse angepasste Brotmaschine entwickelt und gebaut. In der industriellen Serienanfertigung läuft alles gleich ab, da gibt es überhaupt keine Individualität – alle verwenden die gleichen Brotbackmischungen usw.“, so Helmut Gragger.

Was ist die Herausforderung dieses Berufes, haben Sie die Hoffnung, dass sich die kleinen Bäckereien wieder ihren Markt zurückerobern können?
Nein, die Konkurrenz ist da viel zu stark. In den großen Ketten werden zwischen 80 und 100 Brotsorten angeboten, da kann ein kleiner Betrieb nicht mithalten. Hier steht der Vertrieb im Vordergrund, das Produkt/die Produktion erst an zweiter Stelle. Das Problem ist, dass „ehrliches“ Brot eigentlich ein Grundnahrungsmittel ist und nicht elitär, was aber im Moment umgekehrt ist. Auch die ganze Slowfood Bewegung ist sehr stadtbezogen und eine Nische. Für uns „Kleine“ ist einfach die Vertriebsform das Teure, der Großhandel hat einen Aufschlag von ca. 300%, bei uns liegt er eben mal bei 10 bis 15%. Daher glaube ich persönlich nicht, dass Brot, so wie wir es herstellen, aus der Nische heraus kommt.gragger_backofen
Sie hatten massive Schwierigkeiten mit den Nachbarn, Geruchsbelästigung, Auflagen, etc.
Ja, das hat uns sehr viel Zeit und Geld gekostet. Die ganze Bürokratie und auch das Unverständnis bei den Behörden, aber es ist auch österreichische Mentalität – nur kein Risiko eingehen. Da fragt man sich schon, wo die viel gerühmte Vision bleibt, zudem sich Wien ja immer gerne an Berlin orientiert. Nur zum Vergleich – in Berlin dauerte es ganze 3 Monate und wir konnten gemeinsam mit Sarah Wiener unsere Holzofenbäckerei eröffnen. Da ist auch nur einen Bruchteil an Auflagen zu erfüllen.

Sie engagieren sich auch sehr stark sozial, etwa ein Projekt in Afrika und ein Lehrlingsprojekt in Ansfelden.
Ja, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Handwerk auch das Überleben in Zukunft sichern wird. Im Senegal haben wir einen Holzofen gebaut, der mit den dort vorhanden Brennmaterialien (Palmblätter, Plastik – verbrennt bei 600° vollkommen Schadstofffrei) funktioniert und so autonom betrieben werden kann. Ich halte nichts davon, eine Abhängigkeit herzustellen. Wir haben viel herum experimentiert, aber schlussendlich hat es geklappt. Es kommen nur 10 Prozent aus Österreich, der Rest sind alles Materialien von vor Ort. Die Rezepte werden ebenfalls den vorhandenen Getreidesorten, wie zum Beispiel Hirse, angepasst.

In Ansfelden betreibe ich eine Lehrwerkstatt für Jugendliche, die am offiziellen Arbeitsmarkt keine Chance haben. Ich habe mit diesen jungen Menschen sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie haben zwar intellektuell oder sozial ein Defizit, sind aber oftmals begnadete Handwerker und blühen während der Ausbildung richtig auf.
gragger_brotNoch eine Frage zur Ausbildung, was für eine Ausbildung braucht es Ihrer Meinung nach für ein Handwerk 3.0?
Das duale Ausbildungssystem finde ich generell sehr gut. Insgesamt geht es um die Aufwertung der Ausbildung, ein Überdenken der derzeitigen Strukturen und natürlich ist es auch eine Frage der Wertigkeit. Es geht um das Engagement bei den Lehrherren, aber auch bei den AusbildnerInnen an den Berufsschulen, es gibt auf beiden Seiten gravierende Mängel.
Hinzu kommen noch die Rahmenbedingungen, die vielen „geht nicht“ und Verbote, die absolut nicht förderlich sind, um ein Gewerbe zu eröffnen. Da muss ich einfach wieder auf Berlin oder Istanbul verweisen, da ist ein unglaublicher Spirit und auch Wohlwollen spürbar.

Herzlichen Dank für das Gepräch!

Bio Holzofen Bäckerei Gragger, Hofgasse 3, 4020 linz
gragger & cie,  Spiegelgasse 23, 1010 wien
www.gragger.at

 

Fotocredit: Bio Holzofen Bäckerei Gragger

 

 

 

 

Ein Kommentar zu “Brotkultur versus Behörden

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