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Mit Textilien die Welt verändern

vonHarten3 Die gebürtige Hamburgerin Beate von Harten hat ihren Weg nach Wien über Stuttgart und London gefunden. Sie hat Textildesign und Innenarchitektur studiert, bevor sie sich mit einer Ausbildung für Restaurierung auf die Suche nach der Essenz von Textilen begeben hat. Um deren Struktur und Aufbau zu verstehen und davon zu lernen, wie sie sagt.

Seit 1984 betreibt sie ihr Atelier im 7. Wiener Bezirk, gemeinsam mit 4-5 MitarbeiterInnen, unter anderem Tochter Celina, die seit 5 Jahren mit dabei ist. Betritt man das Straßenlokal, fallen sofort zwei Hochwebstühle ins Auge – einen davon hat sie mit Startkapital ihrer Eltern bauen lassen- sowie wunderschöne Wollen, Seiden- und Leinengarne. Die Leidenschaft und zugleich Konsequenz, mit der Beate von Harten ihren Beruf ausübt, sind spürbar.

Beate von Harten: Ich habe mein Atelier hier in Wien vor mehr als 30 Jahren eröffnet. Anfangs standen Restaurieraufträge von Tapisserien, Aubussons, Teppichen, sakralen Gewändern, etc. im Mittelpunkt meiner Tätigkeit, für öffentliche und private Auftraggeber mit großen Sammlungen. Mit diesen Aufträgen baute ich mein Atelier für Textildesign auf. Heute umfasst mein Angebot beide Bereiche, antike Textilien zu bearbeiten und neue zu kreieren, wobei ich mich persönlich stets als Künstlerin empfinde. vonHarten4
m\L: Wie auf Ihrer Homepage zu lesen ist, entwerfen und fertigen Sie mit Begeisterung für persönliches Interieur, Architektur oder Firmen-PR individuelle Tapisserien, Teppiche und Stoffe für Wand und Boden. Wie funktioniert dieser Entwurfsprozess?

B.v.H.: Wir haben einen kleinen Leitfaden dafür entworfen, von der Entwicklung einer Vision über die Erstellung von Entwurfsskizzen nach Sichtung der räumlichen Gegebenheiten bis hin zur Präsentation des Entwurfes nach Absteckung des Kostenrahmens. Besuche im Atelier während der Produktion sind herzlich willkommen, für einen Teppich von ca. 2 Quadratmetern Größe benötigen wir etwa 1 Monat. Wir möchten mit dem gemeinsamen Entwurfsprozess, dem Gedankenaustausch, die Wertigkeit der Textilien in den Vordergrund stellen. Die Designs besitzen Gültigkeit für einen langen Zeitraum. An den Webstühlen wird anhand von Entwurfskartons gearbeitet, die in das textile Medium übersetzt werden. Garne in den feinsten Farbnuancen stehen dafür zur Verfügung.

m\L: Woher beziehen Sie die Rohstoffe?vonHarten2
B.v.H.: Die Wolle und Seidengarne bestelle ich in Deutschland, hier gibt es keine vergleichbaren österreichischen Anbieter. Das Leinengarn kommt aufgrund langjähriger guter Erfahrung aus Schweden. Wir experimentieren aber gerade mit heimischen Garnen. Gefärbt werden Wolle und Seide mit Pflanzenfarben.

m\L: Wie wichtig ist Ihnen die Weitergabe Ihres Wissens? Sie vergeben Praktikumsplätze und bieten auch Sommerkurse an.

B.v.H.: Ich empfinde die Weitergabe meines Wissens und meiner Erfahrung als wichtigen Teil meiner Tätigkeit. Das hat immer auch mit Selbstreflektion zu tun. Weben ist eine der ursprünglichen menschlichen Fertigkeiten. Früher hieß es, wer weben kann, kann auch rechnen, denn es ist wichtig, die Anzahl der Fäden zu kennen und gerade und ungerade oder Teilbarkeitseigenschaften zu unterscheiden. Die Verbindung von Hand und Kopf ist das Thema von Platons Webergleichnis, in dem er die Staatskunst mit der Webkunst vergleicht. Die Metapher beinhaltet die Aufgaben eines Staates: die Fäden in der Hand zu halten, sie zu ordnen und deren Qualität, stark oder weich, dicht oder locker, zu unterscheiden, um sie zu einem Staatsgefüge zu verweben.
vonHarten1Was die Praktika betrifft, so habe ich die Erfahrung gemacht, dass Pflichtpraktika oft nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit angetreten werden. Wir arbeiten auf relativ engem Raum, da sollte die Stimmung passen. Ich bin daher dazu übergegangen, mich mittels Ausschreibung an die InteressentInnen an den verschiedenen Hochschulen, z.B. die Kunstuniversität Linz oder auch Schulen in Deutschland, Schweiz und den USA, zu wenden und habe viele schöne Rückmeldungen erhalten. Wir arbeiten schon mit Freude!
An den Dienstagen im Juli gibt es übrigens von 14-17:00 Uhr die Möglichkeit in das offene Textilatelier zu kommen und den WeberInnen über Hände und Schulter zu schauen.

m\L: Ihr Motto lautet „manufaktum – langsame kunst für eine schnelle zeit“. Da schwingt Kritik an unserer Konsumgesellschaft mit, in der wir mit beinahe permanentem Ausverkauf dazu verführt werden sollen, neue Produkte zu erwerben.

B.v.H.: Es ist mir ein Anliegen, das Bewusstsein für die Wertigkeit und Beständigkeit der handgefertigten Textilien zu stärken. Die Entwürfe benötigen ebenso Zeit wie das Weben, mit seinen Logiken, Wichtigkeiten und Reihenfolgen. Ich würde mir wünschen, mit Textilien die Welt zu verändern, indem wir bewusst mit unseren Ressourcen haushalten und sorgsam unsere Verbindungen knüpfen. Die kreative Arbeit an sich macht so viel Sinn für alle Menschen, baut die Tätigen auf und bereichert später die Besitzer und deren Umgebung. Eine Situation, in der alle Beteiligten gewinnen. Das Vernetzen ist übrigens auch eine Metapher aus dem Textilbereich!vonHarten_video

m\L: In diesem Sinne vielen Dank für das Gespräch!

Textilatelier Beate von Harten, Stiftgasse 33, 1070 Wien www.beatevonharten.at

Anmeldungen für das offene Atelier (19. und 26. Juli 2016) bitte unter textil@beatevonharten.at.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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