Karbonverarbeitung und Sticken, zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie aus einer Garagenwerkstatt ein Unternehmen wird, das sich peu a peu richtungsweisend im Premium-Segment der Faserverbundtechnik etabliert.
Pioniertum, Leidenschaft und maßgenaue Handarbeit ermöglichen neue Wege. Die Leidenschaft von Andreas Kisling ist die Werkstatt. Alles, was mit Automobil, Motoren, Sport und Geschwindigkeit zu tun hat, interessiert ihn. Er ist ein Freigeist und hat die HTL für Maschinenbau absolviert. Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem perfekten Jetski. Der Werkstoff Karbon hat es ihm dabei ganz besonders angetan. Und diese Leidenschaft hat seinem mittlerweile gegründeten Unternehmen Legionaer, den Sieg für Legionaer Karbon Veredelung im Red Dot Award: Product Design 2016 eingebracht.
manufakturLab: Karbon und Stickerei werden ja nicht unmittelbar in Verbindung gebracht. Wie ist es zu dieser „Zusammenarbeit“ gekommen?
Andreas Kisling: Das ist eigentlich ganz „salopp“ gegangen. Nachdem mich das Material Karbon schon sehr lange fasziniert und ich sämtliche Materialien, u.a. Blech (so ein Blechkleid hat allerdings ein hohes Eigengewicht und ist daher nicht ideal), für den Jetski ausprobiert hatte und nichts davon zu dem Ergebnis meiner Vorstellung führte, war es naheliegend. Ich dachte mir, eine Karbonhülle könnte die Lösung sein. Karbon wird im Leichtbau, in der Luftfahrttechnik und in der Automobilindustrie schon länger verwendet und ist wegen seiner Leichtigkeit und Stabilität bekannt und beliebt. Zudem ist Karbon super leicht zu bearbeiten und formbar wie ein Stück Stoff.
Nachdem wir den perfekten Prototypen gebaut hatten stellten wir fest, dass der Ski langweilig aussieht. Irgendwie fehlte da noch das gewisse Etwas. Wie so oft im Leben, kam uns der Zufall zu Hilfe. Eine Bekannte trug bei einem Treffen einen Pullover mit Metallstickerei. Je nach Lichteinfall schillerte die Stickerei in unterschiedlicher Intensität und da war mir klar, das ist es.
m|L: Ich kann mir vorstellen, dass das aber nicht ganz so einfach war. Nachdem die Stickereien ja mehr auf klassische Stoffe ausgerichtet sind und zudem in Österreich nur mehr ganz wenige Stickereien existieren.
A.K.: Stimmt. Mein Zugang war, im Nachhinein gesehen, recht naiv. Meine Überlegung war, dass Karbon eine ausgeprägte Tiefenwirkung und in der Rohform die Struktur eines Stoffes hat und daher das Besticken sehr einfach gehen müsste. Wir haben dann über ein Jahr Prototyping gemacht, bis wir die richtigen Einstellungen für die Stickmaschinen und die richtigen Garne und Fasern gefunden hatten. Das spannende dabei ist, dass je nach Stickrichtung die Fläche heller oder dunkler erscheint und sich so ganz unterschiedliche Muster ergeben.
m|L: Die Stickerei, mit der Sie nun kooperieren, ist eine klassische Stickerei die auf Auftragsarbeiten spezialisiert ist. Wie haben Sie auf Ihre Anfrage reagiert? Wie war die Zusammenarbeit?
A.K.: Ja, es handelt sich um ein mittleres österreichisches Unternehmen und sie waren der Idee gegenüber sehr offen und überzeugt, dass es funktionieren kann. Man muss bedenken, dass wir hier von einer Nische sprechen, wir noch keinen Vertrieb aufgebaut haben usw. Zudem kam, dass weder wir noch sie Erfahrung mit diesem Material hatten. Es war ein Experiment ohne Garantie auf Erfolg. Da eine Firma zu finden, die darauf einsteigt und der man auch vertrauen kann, ist nicht easy. Aber wir haben es geschafft und sind sehr dankbar für die entgegen gebrachte Offenheit und Unterstützung.
m|L: Der Produktionsprozess ist bei Ihnen aufgesplittet, wie funktioniert das?
Die Stickerei bekommt das Karbon geliefert und die Musterdesigns. Vorort werden die Teile alle von Hand zugeschnitten und die Stickerinnen programmieren die Schablonen, nach denen die Maschinen sticken.
Die Karbonteile werden in Deutschland gefertigt, da sie dort das entsprechende Know-How für den Formenbau haben. Jedes Teil wir von Hand gefertigt und mit den bestickten Karbonstoffen laminiert. Von Hand deswegen, da es maschinell unmöglich ist, die Stickerei perfekt zu positionieren und Falten, die beim Einlegen entstehen, werden von einer Maschine ebenfalls nicht erkannt bzw. ausgebügelt. Das muss eine Person machen.
m|L: Nun gibt es aber noch eine Besonderheit, mit der Sie Aufmerksamkeit erregen?!
A.K.: Ja, der Lack mit dem wir das Finish gestalten. Es handelt sich hier um einen „Antimemorylack“. Er ist zwar nicht 100% kratzfest, aber, und das ist der Punkt, bei Wärmeeinwirkung, z.B. von Sonnenlicht, bügeln sich die Kratzer von selbst aus. Diese drei innovativen Ansätze ermöglichen uns ein breites Feld an Kooperationsmöglichkeiten.
m|L: Wie sieht Ihre Strategie nun aus?
Wir fahren zwei Schienen: Einmal haben wir unsere eigene Brand, der die Bereiche Wasser- und Schisport abdeckt, und eine eigene Bekleidungslinie ist gerade im entstehen.
Die zweite Strategie: Wir bieten unsere Technik der Karbonverarbeitung und Veredelung Unternehmen im Bereich Möbelbau, Innenraumgestaltung, der Autoindustrie und Sportarktikelherstellern an. (Sie sind u.a. in Verhandlung mit Ünique Skis, siehe Interview: https://manufakturlab.wordpress.com/2014/07/21/high-end-ski-made-in-vienna/)
m|L: Thema Nachhaltigkeit, wie steht es da mit Karbon? Gäbe es eine umweltfreundlichere Alternative zu Karbon?
A.K.: Karbon ist recyclebar, was auch gemacht wird, da der Ausgangsstoff ungemein teuer ist und der Kunststoff kann durch ein Verfahren wieder entfernt werden. Derzeit arbeiten wir daran, wie recyceltes Karbon optisch aufbearbeitet werden kann.
Eine Alternative wäre die Basaltfaser vom Basaltstein und war auch schon vor einigen Jahren einmal Thema, wurde bisher aber nicht wirklich angenommen.
m|L: Eventuell wäre eine Kooperation mit dem Textilen Zentrum Haslach, das auch im Bereich Textilentwicklung und -forschung tätig ist, interessant?!
A.K.: Ja, wir sind da sehr offen und können uns das durchaus vorstellen…
m|L: Vielen Dank für das Gespräch.
Kontakt: Legionær, Andreas Kisling
Zuckermantelhof 88, 2241 Schönkirchen,
Tel: +43 676 8414 89 14, E-mails: a.kisling@legionaer.com