Die Dachplatten-Manufaktur von Peter Bucher im Tiroler Fieberbrunn erzeugt und beforscht Betondachplatten. Das schätzen nicht nur Architekten wie z.B. David Chipperfield, oder Kada Wittfeld die sich mit dem Umbau und der Restaurierung denkmalgeschützter Bauten beschäftigen.
Wir haben Peter Bucher zum manufakturLab-Interview gebeten und den umtriebigen Firmenchef nach seiner Philosophie, der angewandten Technik, Denkmalschutz und besonders spannenden Projekten befragt.
m/l: Wir haben uns bei den „Tagen der offenen Kartause“ im Informations- und Weiterbildungszentrum Baudenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes in Mauerbach kennen gelernt. Sie waren dort mit einem Informationsstand über die S- und R-Dachplatten vertreten.
Auch in Ihrem Informationsfolder ist zu lesen: Vom Denkmalschutz inspiriert. Erzählen Sie uns doch etwas über Ihre Firmengeschichte!
Begonnen hat alles 1946. Mein Großvater kam als Kriegsversehrter nach Hause und da eine Arbeit am Bau nicht möglich war hat er begonnen, was viele zu dieser Zeit gemacht haben: mit einem einfachen Schlagtisch Betondachplatten zu erzeugen. In den 1960er Jahren kam mit der Automatisation der Herstellung das Aus für viele Plattenmacher , wobei die Qualität der automatisiert hergestellten Dachplatten, durch die Verwendung einer wesentlich kleineren Korngröße lässt die Tragkraft nach, meinen Großvater nicht überzeugt hat. So hat er, um das Geschäft zumindest bis zu seiner Pensionierung weiterführen zu können, einen Schlagtisch mit Rüttler entworfen, mit der 3 Platten gleichzeitig gemacht werden konnten. Ich selbst habe nach der HTL-Matura 1981 gemeinsam mit den Großeltern den Betrieb weitergeführt – die lokalen Handwerker wollten auf die Qualität unserer Platten nicht verzichten! Mitte der 1980er Jahre kam ein Baustoffhandel dazu, der das Überleben sichern sollte, während die Nachfrage nach den Platten immer mehr zurück ging.
Eine Trendwende habe ich dann Ende der 1990er Jahre festgestellt. Es kamen vermehrt wieder Anfragen und so ich habe den Entschluss gefasst, mein Fachwissen um die Konstruktion von Dächern mit Forschungen und Normen, z.B. zum Unterdach, das ich nachgerade revolutioniert habe, auszuweiten und habe mir in der Branche einen Namen gemacht. 2008 kam schlussendlich Dr. Ausserhofer, der ehemalige Vizechef der Denkmalpflege in Südtirol, mit der Bitte auf mich zu, rautenförmige Platten für die Restaurierung der Bahnhöhe im Pustertal herzustellen. Dafür habe ich eine neuen Schlagtisch entworfen und 2008 ergänzend die R-Dachplatte auf den Markt gebracht.
m/l: Was bedeuten die Bezeichnungen S- und R-Platte genau und wie werden die Dachplatten hergestellt?
Die R-Platte ist eine rhombus- oder rautenförmige Dachplatte, die S-Platte eine s-förmige, sie hat eine Welle, während die R-Platte plan ist. Die S-Platte wurde bereits um 1844 so genannt, sie hat sich besonders zur Eindeckung in Gebieten mit hoher Schneebelastung als einzigartig erwiesen.
Für die Fertigung werden Sand, Zement und Wasser mit einem Rührwerk vermischt, anschließend wird die Betonmasse in die Form der Dachplatte auf dem Schlagtisch aufgetragen. Der Rüttler ( früher wurde nicht gerüttelt sondern per Hand mit einem Eisen geschlagen ) verdichtet das Material in einem ersten Durchgang, anschließend wird überschüssiger Beton mit einem Stahlhobel, wird auch Messer genannt, abgetragen und dabei zugleich nochmals durch Walkbewegungen verdichtet. Beton muss zum Aushärten feucht gehalten werden, damit er seine Festigkeit erreicht – die Zugabe sowie der Grad der Verdichtung beruht auf jahrelanger Erfahrung, durch die das perfekte Produkt entsteht. Anschließend werden die Platten getrocknet und sind bereit für die Verlegung. Ich betreue die Baustellen auch selbst und bilde Dachdecker aus, wie die Platten fachgerecht zu montieren sind. Allerdings nur jene Betriebe, bei denen gewährleistet ist, dass das Fachwissen angewandt und weitergegeben wird. Und wenn ich Zeit habe, decke ich auch selbst!
m/l: Sie haben erwähnt, dass Ihre eingehende Beschäftigung mit der Geschichte des Materials und die Recherchearbeit für die jeweilige Restaurierungsaufgabe einen wichtigen Bestandteil Ihres Serviceangebotes darstellen. Können Sie uns Beispiele geben?
Was mir sehr gut gefällt, ist die Vermischung von neuer Technik und alten Materialien, die ich versuche, durch Baugeschichtsforschung zu rekonstruieren. Ein Beispiel dafür ist das Dach des Salzburger Hauptbahnhofes, immerhin 6000 m² Fläche, da konnte ich die Dachplatte originalgetreu wie aus dem 19. Jhdt. wieder herstellen und die neuen normativen Anforderungen der Windsogsicherung mit heutiger Technik verbinden.
Mit diesem Projekt war mein Auskommen für einige Zeit gesichert. Mit Dachplatten- Aufträgen aus der Denkmalpflege alleine ist es noch schwierig, daher ist man bereit, auch andere Herausforderungen anzunehmen.
So habe ich das Projekt Romanzement begonnen, ein Material, das besonders zukunftsfähig wäre, allerdings seit den 1930er Jahres nicht mehr ausgeführt wurde. Die ÖBB bzw. das BDA sind an mich mit der Bitte herangetreten, für die Rekonstruktion einer Mauer beim Innsbrucker Hauptbahnhof Bauteile aus Romanzement herzustellen. Während größere Anbieter abgelehnt haben, war meine Neugierde geweckt. Gemeinsam mit Dr. Stingl vom BDA in Mauerbach habe ich mir die Technik angeeignet, wobei ich mit meinem bisherigen Verständnis von Beton bald nicht mehr auskam. Romanzement ist ein Naturzement und mit hochhydraulischem Kalk vergleichbar, seine Farbe ist ocker bis rötlich-braun. Nach vielen Tests ist das Produkt letztlich gelungen, weil ich mich in die ursprünglichen Herstellungsmöglichkeiten anno 1870 hineinversetzt habe. Damals gab es weder digitale Waagen noch sonstige Präzisionsinstrumente. Für die Konstruktion der Schalung haben wir aber sehr wohl modernste Technik wie CAD und aktuelle Bildfindungstechniken genutzt. Die Mauer ist gelungen, und aus diesem Grund bin ich zum Sonderprogramm „Beton“ der Messe architect@work 2015 als praktischer Anwender des Romanzementes eingeladen worden!
Derzeit habe ich die Rekonstruktion des Fußbodens des Salzburger Landesgerichtes übernommen und arbeite an der originalen Herstellung der Bodenplatten aus Romanzement.
m/l: Sie arbeiten mit Architekt David Chipperfield bei der Restaurierung des Sanatoriums Dr. Barner, einem einzigartigen Jugendstilensemble im Deutschen Braunlage im Harz. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem „Stararchitekten“?
Ich glaube es ist nicht alleine wichtig mit wem ich arbeite, sondern vielmehr, wie zufrieden Architekten mit meiner Arbeit sind und wie ich mit meinen Produkten und Leistungen Positives beitragen konnte. Für das Projekt in Braunlage bin ich vom Büro Chipperfield zu einem Hearing nach Berlin eingeladen worden und konnte sowohl das Büro Chipperfield, als auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz überzeugen. Für die Rekonstruktion der Dachplatten habe ich eigene, CAD-gefertigte Formen herstellen lassen, die gewünschte Farbe entsteht durch Pigmentierung. Derzeit arbeiten wir gemeinsam an Fassadenplatten, die als Ersatz für Schindeln oder auch Schiefer (speziell in Norddeutschland) eine 3-4 Mal längere Lebensdauer aufweisen.
m/l: Auf Ihrer Homepage berichten Sie regelmäßig über technische Neuerungen. Welche Innovationen konnten Sie bei den traditionellen Dachplatten bereits realisieren? Werden Ihre Produkte auch in der zeitgenössischen Architektur eingesetzt?
Für das Florieren meines Unternehmens war es wichtig, quasi die Salonfähigkeit meiner Produkte zu erreichen. Dazu muss man zumindest besser sein als die Mitanbieter! Eines der Themen, die ich hier bearbeitet habe, ist der Windsog. Mein patentiertes System mit einbetonierten Edelstahlhaken und den entsprechenden Berechnungen hat auch Ing. Linhart, den „Papst des Windsoges“, überzeugt.
Was zeitgenössische Architektur betrifft, wäre es mein großer Wunsch, hier vermehrt einzusteigen. Bereits realisiert haben wir beispielsweise Weißzementplatten für einen Kindergarten und eine Volksschule in Südtirol in Zusammenarbeit mit den Architekten Pedevilla , oder mit BergmeisterWolf Architekten eine neuartige Dachrandgestaltung aus Beton für ein Prestigeobjekt in Brixen in Südtirol. Ich plane mit den Architekten gemeinsam die anzufertigenden Bauteile, wie Dachrinnenverkleidungen, Balkonbrüstungen oder Fassadenplatten, etc.
Derzeit beschäftigt mich die Idee einer Romanzement-Fassadenplatte, in Größe 1x1m oder 0,5×0,5 m: vielleicht die Zukunftsplatte mit guten Wärmedämmwerten!
m/l: Ihre Dachplatten punkten mit einer langen Lebensdauer im Vergleich zu herkömmlichen Dachsteinen. Haltbarkeit und Nachhaltigkeit im Bereich der Produktion sind Themen, die manufakturLab sehr interessieren. Doch wie kann Ihrer Meinung nach Bewusstsein bildend agiert werden, wenn aktuell die Lebensdauer eines neu zu errichtenden Bauwerkes auf gerade einmal 30 Jahre ausgelegt ist?
Wir leben in einer Zeit der Überregulierung und Normierung, die einfaches Bauen unter Einhaltung aller Vorgaben – vor allem im privaten Bereich – extrem verteuern und nahezu unmöglich machen.
Wenn man Häuser niederreißt, dann vernichtet man vorher teuer investiertes Kapital und muss für den Neubau wieder neues Kapital aufbringen, das widerspricht jeder Logik. Adaptierungen erfordern mehr Planung und Ideen, aber sie bauen auf guten Bestand auf. Auch andere Faktoren spielen eine Rolle.
So werden heutige Dachaufbauten durchwegs nicht mehr nachhaltig ausgeführt, da die Erneuerung nach gerade einmal 20 Jahren wieder ein Geschäft für den Dachdecker, für das Gewerbe, für die Industrie bedeutet. Das heißt, es wird bewusst ein Bedarf durch Materialien mit kurzer Lebensdauer geschaffen, um später wieder Arbeit zu haben, also der Hamster im Rad. Aber dadurch wird anderswo über kurz oder lang das Geld fehlen.
Die einzige Möglichkeit das Bewusstsein zu schaffen ist, die genannten Punkte immer wieder anzusprechen, zu hinterfragen, zu erklären, um Nachdenken herauszufordern.
Deshalb gehe ich nicht den einfachen Weg der Masse, sondern den schwierigeren, den Weg des Plattenmachers, um mir selbst treu bleiben zu können.
Die Zukunft der Dachplattenmacherei liegt meines Erachtens in kleinen Manufakturen mit flexiblen Produktionseinheiten. D.h. ich kann meine Maschine abbauen und an den benötigten Einsatzort transportieren, so wie das in früheren Zeiten auch gemacht wurde.
Meine Dachplatten halten 150 Jahre, sind langlebiger als z.B. Eternit. Eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit Architekten ist, dass diese auf Langlebigkeit schauen: Und gerade dies ist immer mehr festzustellen.
So wie sich heute der Architekt immer mehr mit dem Thema Wärmedämmung auseinandersetzt und nach sinnvollen Alternativen sucht und diese wieder findet – z.B. in Bauweisen wo die Wärmedämmung alleine durch das Mauerwerk mit Ziegel und Kalkputz funktioniert, wie das kürzlich errichtete Bürohaus von Baumschlager Eberle in Lustenau beweist, so wird auch ein Umdenken im Dachbereich stattfinden und zu Produkten führen, wie wir sie herstellen.
m/l: Wichtige Botschaft zum Abschluss?
Es wäre oftmals viel einfacher, das Rad nicht immer neu zu erfinden, sondern das alte richtig zu nützen. Das gilt vor allem für chemisch hergestellte Bau- und Dämmstoffe. Meine Kunden haben eines gemeinsam: sie wünschen Nachhaltigkeit, ehrliche Herstellung und höchste Qualität, die noch leistbar ist.
m/l: Vielen Dank für das Gespräch!
Ing. Peter Bucher, Bucher Dachplatten-Manufaktur. www.bucherplatte.com
Kontakt: info@bucherplatte.com
Fotocredits: © Renée Del Missier | www.reneedelmissier.com
Video: Wolfgang Schwaiger | kerblern@aon.at