Stefanie Kerschbaumer ist Schuhmacherin und lebt Handwerk 3.0 ganz bewusst:
Für mich ist die Schnittstelle Handwerk / Design die Lösung für das perfekte Produkt. Den ersten Berührungspunkt zum Handwerk gab es bereits während meiner Ausbildung zur Textildesignerin. Der Besuch eines Sandalenworkshops bei einem kleinen Schuhlabel hat mich für das handwerkliche Arbeiten sensibilisiert. Nach meinem Abschluss war ich einige Jahre als Textildesignerin beschäftigt. Irgendwann wurde mir das dann zu computerlastig, da man als Designerin in großen Firmen primär mit dem Entwurf, dem Zeichnen beschäftigt ist und nichts mit der Umsetzung zu tun hat.
Bei meinen Überlegungen, wohin meine berufliche Entwicklung gehen soll, kam mir mein einstmaliger Sandalenworkshop wieder in den Sinn. Nach eingehender Recherche habe ich mich zu einer „handwerklichen Ausbildung“ am London College of Fashion entschlossen. Hier werden Design und Handwerk als sich ergänzende Ebenen genützt und unterstützt. Auf die Idee eine klassische Lehre zu absolvieren bin ich damals gar nicht gekommen. Der Vorteil einer Lehre ist die ganze praktische Erfahrung die man in einer „schulischen“ Ausbildung nicht in dieser Form erhält. In der Ausbildungsform die ich gewählt habe, steht die industrielle Produktion im Fokus. Nach und nach entwickelte sich meine Leidenschaft für das Material Leder sowie das Handwerk und am Ende eine eigene Werkstatt. Die Möglichkeit, die verschiedenen Dinge, die ich mag und wichtig finde, miteinander zu verbinden und damit den kompletten Prozess zu steuern ist für mich die Idealvorstellung.
Mein handwerkliches Arbeiten perfektioniere ich laufend – während meiner praktischen Arbeit und durch den Austausch im Netzwerk. Jeder Schuh ist für mich eine neue Herausforderung, da das Material nie dasselbe ist und daher sehr individuell verarbeitet werden muss. Jede Kleinserie wird dadurch unique.
Was mein Arbeiten individualisiert, ist, dass ich meine Werkstatt sehr reduziert ausgestattet habe. Das setzt voraus, dass ich mich noch mehr mit dem Material, mit dem Fuß und mit der Umsetzung auseinandersetzen muss. Dabei ensteht das endgültige Design oft während der Herstellung und im Gespräch mit den KundInnen. Meine Vorstellung für ein umfassendes Service lässt sich so beschreiben: Ich arbeite praktisch mit einem Modulsystem. Aus all den Einzelteilen aus dem ein Schuh besteht (Obermaterial, Innenleben, Sohle, …) kann der ganz persönliche Schuh kreiert werden und hat damit eine Geschichte. Die Wertigkeit, die somit in den Produkten steckt, legitimiert den Preis.
Ich arbeite ausschließlich mit pflanzlich gegerbtem Leder, ohne Chrom – ohne Chemie. Durch die Gerbung wird das Leder haltbar gemacht um den „Alltagsstrapazen“ lange standzuhalten. Dasselbe gilt für die Färbung des Leders, hier lege ich genauso Wert auf Chemiefreiheit.
Um meiner Vorstellung nach ethischen und ökologischen Kriterien gerecht zu werden versuche ich möglichst alle Materialien und Rohstoffe, die ich benötige vor Ort zu beziehen. Was mir auch insofern entgegen kommt, da ich ein sehr haptischer Typ bin und alles fühlen, angreifen und riechen muss. Es gibt ein paar wenige Lederhändler die eine kleine Auswahl an pflanzlich gefärbtem Leder in Wien und Niederösterreich verkaufen. Nachdem es aber kaum mehr Gerbereien in Österreich gibt, wird das meiste Leder aus Italien bezogen.
Meine Werkstatt habe ich im Kunstkanal, ein Coworking Space mit einer Vielzahl an diversen Unternehmen. So wird das übergreifende Arbeiten sehr gefördert und Kooperationen der vielseitigsten Art können sich ergeben. Überhaupt merke ich durch Kooperationsangebote aus der Wirtschaft, dass das Bedürfnis der Menschen nach einem langlebigen und hochwertigen Produkt steigt. Das Gefühl einen „guten Kauf“ getätigt zu haben und die Arbeit die dahinter steckt sicht- und riechbar werden zu lassen, macht nachhaltiger glücklich, bin ich überzeugt.
Der Trend zurück zum Handwerk ist auch auf Seiten der Kreativen zu spüren und kommt der österreichischen Mentalität entgegen. Das Angreifen und das Praktische haben schon noch einen sehr hohen Stellenwert. Die Verbindung von Handarbeit und Design unterstützt dies, indem Handwerk sicht- und greifbar ist. Design findet, wenn man es genau nimmt, ja eigentlich auf dem Papier statt. Da gibt es anschließend nichts zum Angreifen.
Was ich auch besonders schätze und meinen Radius erweitert, sind Messeauftritte. Bei diesen Veranstaltungen trifft man immer wieder spannende KollegInnen mit denen es sich wunderbar fachsimpeln lässt. Die Möglichkeit sich über die Bedürfnisse und Vorstellungen der KundInnen zu informieren ist ein weiterer Anreiz.
Das ist auch mein Ratschlag an junge Menschen die sich mit ihrer Berufswahl auseinandersetzen müssen. Der eine oder andere Auslandsaufenthalt und das ausprobieren von mehreren Berufen ist sehr inspirierend. Das war die Idee der Walz – früher wurden die Gesellen auf die Walz geschickt, um ihr Wissen zu vertiefen und Erfahrung zu sammeln.
Meine Schuhe und Accessoires sollen durch mein Design und hochklassige Verarbeitung überzeugen. Ich sehe einen großen Bedarf an Produkten die dem neu erwachten Bewusstsein der Konsumenten entspricht.
Stefanie Kerschbaumer
KERSCHBAUMERS good leather goods
Ulrichgasse 1, 1020 Vienna
tel: +43 680 2162 135
e-mail: hello@kerschbaumers.at, http://www.kerschbaumers.at
Foto-Portrait: ©Eva Mühlbacher
Fotos: ©Astrid Knie